von Wolfgang Manz
Vortrag für das Gemeindefest „50 Jahre Evangelische Kirchengemeinde Lohmar“, vorgetragen von Heinz Eimermacher und vom Verfasser am 15.06.14
Begrüßung
Zum Abschluss unseres schönen Festes seid herzlich hier willkommen!
Wir grüßen Euch und lad’n Euch ein, jetzt mitzukommen zu den Menschen dieser Kirche hier im schönen Lohmar, die hier leben, lieben und sterben schon über 50 Jahr.
Die Menschen, die in dieser Kirche beten, glauben, singen, lachen, die sind’s, die zu allen Zeiten die Gemeinschaft zur Gemeinde machen.
Am Anfang
Schon vor 15 hundert Jahren wohnten am Ufer von Agger und Auelsbach die Franken zu Zeiten der Merowinger als Christen unter einem Dach.
Die haben in vielen Hunderten von Jahren weniger Spuren gemacht als die heutige Christengemeinde in nur 50 Jahren hat geschafft. Flüchtlinge, Umsiedler und Vertriebene aus beiden großen Konfessionen kommen seit 70 Jahren aus den östlichen Regionen:
die Ostpreußen, Westpreußen, Pommern, Schlesier, und Sudeten; die Sachsen, Mecklenburger, Thüringer, Anhalter, Brandenburger sind auch vertreten. Nun leben sie seit vielen Jahren zu Haus in Lohmar und im schönen Land am Rhein, sind mittendrin in Caritas, Diakonie, Ökumene, Seelsorge und so manchem Verein. Heut‘ woll’n wir euch verzähle, was du und sie und er hab’n erlebt in dieser langen Zeit. Wir hoffen, Ihr könnt uns gut versteh’n, und seid bereit für manche Histörchen aus der Vergangenheit.
Die Pfarrer
Unsere Pfarrer sind nicht vom Himmel gefallen!
Sie kamen fast alle vom Ausland zu uns nach Lohmar – zu unsrem Wohlgefallen. Als erster hat sich Ewald Stein, der Pfarrdiakon aus Schlesien aufgemacht, dann kam aus Spanien Pastor Adolf Rettig und hat hier sieben Jahre zugebracht. Für viele Jahre kam dann Pfarrer Jochen Diercks weither aus Brasilien über Koblenz an die Agger, von Dänemark fuhr Pfarrer Peter Gottke direkt auf unsern Acker, nur Pfarrer Jochen Schulze hatte einen kurzen Weg von Solingen im Mai zu uns in den Rhein-Sieg-Kreis über die Autobahn A3.
Deutschland war schon vor 70 Jahren Einwanderungsland, als Familie Stein aus Waldenburg den Weg nach Lohmar fand. Hier betreute und baute er, der Diakon, die Gemeinde auf, die nun heut´ ist mittendrin und auch wohlauf.Er machte und kümmerte sich um alles diakonal, spielte Fußball mit der Jugend und predigte sonntags gleich dreimal. Er suchte einen Organisten, auch wenn’s noch keine Orgel gab. Er schaut‘ sich um und fand den Toni Potrykus mit seinem alten Harmonium. Das war echte Ökumene, denn Toni war ein Katholik mit Praxis. Er war 23 Jahre lang treuer Begleiter und hat auch hier gespielt in Moll und Cis. Und Pfarrer Stein war für das Zeltdach über uns auf diesem Hause, das allen offen ist – auch für eine besinnlich‘ Pause. Zu früh hat er die Welt und uns verlassen,damals konnt‘ es niemand richtig fassen.
Dann kam Pfr. Rettig. Er war tüchtig und gar liebenswert besorgt um unsere Seelen, Er war viel unterwegs und konnt‘ schon mal die richt’ge Stund‘ verfehlen. So kam es, dass er ’ne Beerdigung völlig vergaß und die Trauergemeinde schon in der Aussegnungshalle saß. Die Glocken läuteten und die Küsterin wartete mit dem Talar eine halbe Stunde auf der Straße, bis Hochwürden endlich erschienen war. Auch zum Kaffee Trinken bei der Frauenhilfe kam er mal zu spät. So setzte er sich schnell auf einen Stuhl – wie es eben so geht. Doch der war schon besetzt – von einer Torte. Die Damen hatten ihren Spaß und lachten mit Pianoforte.
Pfarrer Diercks – den meisten noch bekannt, hat 28 Jahr‘ in dieser Kirch‘ gepredigt, ich schwör’s: ich bin niemals – mit Verlaub – so richtig eingenickt. Er übernahm nach seinem Dienstantritt die Frauenhilfe wie gehabt. Die Damen warteten gespannt, was der wohl so mit ihnen vorhat. Nach einer kleinen Andacht tat er’s kund: er lud sie ein zu „Gesprächen mit religiösem Hintergrund“. Aha, dachten die Damen, der junge Herr will uns wohl schulmeistern! So waren die lebenserfahrenen Frauen nicht zu begeistern. Die Pfarrerskinder war’n noch jung, der Jüngste nur erst 3. Der Vater passte auf ihn auf; die Mutter hatte frei.Im Gottesdienst, da ging er auf Entdeckungstour, gleich hinter den Altar. Dort nahm er mit Bedacht den Kerzenlöscher und aus war jedes Exemplar. Man fragt‘ sich nachher, wer hat dem Bub das beigebracht? Das war die Küsterin, Frau Thienz, die hat’s ihm vorgemacht. Und wieder traten beide auf, der Vater und sein Sohn. Der Vater las das Evangelium, der Sohn verschwand unter der schwarzen Konfektion. Die Gemeinde dachte, was wird der Vater nun wohl machen? Er lächelte nur und wollte lieber lachen.
Es gab Zeiten in dieser Gemeinde, da war Karneval ein fremdes Wort. Da verließ die Pfarrersfamilie am Rosenmontag diesen jecken Ort. Das hat sich – Gott sei Dank – gewandelt und jetzt singt die Frauenhilfe brav: auch wir sind jeck und stimmen ein ins ‚Lohmar alaaf!‘ Pfarrer Diercks war stets auf Verbundenheit mit anderen Gemeinden bedacht, und so begab es sich, dass ein kleiner Umstand diese Bindung hat vollbracht. Eine Frau vom Treff war krank und fehlte und Pfarrer Diercks besuchte sie sofort. Dort traf er die Kusine der Erkrankten, die gekommen war aus einem fernen Ort, aus Poprad in der Slowakei zu pflegen die Verletzte nach einem Treppensturz. Sie kamen ins Gespräch – ich mach es kurz: ein Jahr später fuhren wir zur evangelischen Gemeinde an die Hohe Tatra mit der Bahn und legten den Grundstein für eine lebendige Partnerschaft, die heute noch hält an. Seit 1992 besuchen wir uns nun fast jedes Jahr; entweder in Poprad oder hier in Lohmar. Wollt Ihr wissen, wie wir miteinander reden? Natürlich Deutsch, denn Deutschendorf hieß Poprad früher mal und das schon seit über 6 Jahrhunderten im Poprad-Tal. Damals kamen Handwerker und Bergleute aus Schlesien, Thüringen und Sachsen. Die waren dem rauen Klima in den Karpaten gut gewachsen. Ein Fan vom HSV war unser Pfarrer mit Begeisterung. Er las im Kicker jeden Montag vom Spiele jede Schilderung. Doch wenn die Mannschaft überraschend mal verlor, dann schlich der sonst so off’ne Pfarrer ganz unzugänglich durch das Kirchentor.
Das Fußballspielen in der Halle gehörte viele Jahre zu den freien Pflichten. Am Dienstagabend mussten viele Männer – auch unser Küster – auf andere Termine glatt verzichten. Durch Pfarrer Diercks kamen hier gar unterschiedliche Talente zusammen, das war Ökumene auf der Ebene der Waden, der strammen. Bis heute hat die Fußballgruppe überlebt und immer wieder neue Spieler angezogen. Manchmal kicken bis zu 15 Mann dort in der Halle, bislang noch ohne Theologen.
Zwischendurch kommt immer mal ein Predigthelfer und hilft aus; denn ohne sie wär manchmal leer das Kirchenhaus. Es geschah an einem Sonntag, dass er pünktlich nicht erschien. Der Organist, der spielte und die Gemeinde sang: gleich dreimal ‚Befiehl du deine Wege‘ mit 12 Strophen lang. Die Presbyter berieten sich, aber wussten keinen Rat. Da erhob sich eine Dame aus den Bänken mit Format: Sie sei bereit, die Predigt nach dem Predigtspruch zu übernehmen. Das tat sie auch und alle war’n erstaunt und froh für ihr Benehmen. Niemand kannte sie: eine pensionierte Pfarrerin aus den neuen Bundesländern. Der Predigthelfer hatt‘ den Gottesdienst vergessen und wollte sich nun ändern.
Pfarrer Peter Gottke war jung und frisch aus Dänemark gekommen, und hat die Gemeinde und’s Büro ganz sicher übernommen. Hat Computer und manch‘ Neues eingeführt
und die Gemeinschaft mit der katholischen Gemeinde fortgeführt. Leider musste er dann hinter Gittern leben, denn Einbrecher haben dreimal in die Wohnung der Familie sich begeben. Sie waren auch in dem Büro und fanden dort ein Spielzeug klein. Das muss wohl so um Mitternacht gewesen sein! Ein Knopfdruck sollte eine Türe öffnen, um dort ‚was zu erbeuten. Doch plötzlich war der Spaß vorbei: die Glocken fingen an zu läuten! Die Polizei, die kam sofort; doch niemand war zu fassen. Die Fernbedienung für’s Geläute ist nun gut versteckt, ganz sicher bei den Kaffeetassen. Die Gastfreundschaft in uns’rer Gemeinde hat es Pfarrer Gottke angetan. Es war auch sein Leitmotiv: wer anklopft, dem wird aufgetan. Doch auch wer nicht anklopft, der wird herzlich aufgenommen. So bot er ganz spontan der katholischen Gemeinde an, für Ihre Gottesdienste hier ins Haus zu kommen. Vier Jahre hat die St. Johannes-Kirchengemeinde hier die Mess‘ gefiert, in dieser Zeit wurde ihre Kirche völlig renoviert. Damals wurde ein Ökumene-Vertrag geschlossen.
Die Kopie liegt nun im Turmknopf von St. Johannes eingegossen. Damals flogen wir gemeinsam aus nach Lohmarhohn zum Eintopfessen. Inzwischen ist das alte Kirchengut verkauft und der Eintopf ist vergessen. Jeder weiß, der Pfarrer Gottke fuhr gern Bus, am liebsten mit dem ‚Luhmer Grietche‘. Und bald ging’s los nach Dänemark mit einem schnellen Wagen auf Visitche. Frau Hammermeister, unsre treue Seele, wurde eilig eingeladen gleich zuhaus. Erst unterwegs in Flensburg stellt sie fest, die Schuhe liegen noch im Haus. So wurden Stadt und Land besichtigt in Pantoffeln. Die Schuh‘ gab’s erst in Dänemark und dazu noch Kartoffeln.
Das Gemeindeamt
Die neu‘ Gemeinde bekam natürlich auch ein Amt. Dort schaltete und waltete Frau Silberlocke über 30 Jahre insgesamt. Sie wusste alles, kannte jeden und war die Hilfe in Person. Noch heute ist sie sehr aktiv und das auch ohne Lohn. Nicht nur Akten wurden hier betreut und vollgeschrieben; auch viel‘ Gefälligkeiten tat man nach Belieben. So kommt es vor, dass Pfarrers auch mal Urlaub machen, und das Amt die Tiere in dem Haus bewachen. Es begab sich also auch einmal, dass Büro und Küsterin zusammensaßen beim Kaffee kollegial, als diese Behaglichkeit gebrochen wurde durch den schrillen Satz: „Was machen denn die Hühner auf dem Kirchenplatz?“ Die Damen waren nun mit Recht sehr aufgeregt; denn die Pfarrersfrau hatte ihnen die Küken sehr ans Herz gelegt. Das Huhn verließ den Kirchplatz mit den Küken Richtung Straße. Dort gab’s noch keinen Zebrastreifen für Geflügel dieser Rasse. Die Damen war’n sich der Gefahr bewusst und liefen hinterher. Doch alle Mühe war umsonst: die Straße war jetzt hühnerleer. Noch nachts versuchten sie im Schein von starken Taschenlampen die letzten Küken im Dickicht der Sträucher einzufangen. Vermutlich war’n die Hühner auf der Suche nach ein paar Körnern Reis, den Hochzeitsgäste gern verstreu’n, um Glück zu wünschen auf diese Weis‘. Doch das gibt’s leider nun nicht mehr und Hühner sieht man auch nicht mehr.
Das Amt hatt‘ auch ein kleines Meerschwein in der Pflege, das war possierlich und auch im Winter ganz schön rege. Nach einigen Tagen schaute man auf’s Fell, doch was war das? Das eine Ohr war schwarz und’s and’re hell. Das schwarze muss bestimmt erfroren sein! Zum Auftau’n kam der Käfig an den Ofen in ein warmes Zimmer rein.
Leider hat das nichts gebracht. Die Farben waren echt. Dann haben alle viel gelacht – und das zu Recht. In den letzten Jahren vor der Rente wurd‘ das Amt sogar mobil;
Die Kirch‘ in Birk hatt‘ auch ein Amt, doch leider keinen Federkiel. So fuhr Frau Bleibtreu zwei Tag‘ pro Woche per Motorfahrrad zu dem neuen Amt, bei jedem Wetter durch das Jabachtal zwei Jahre insgesamt. Das war ihr dann wohl doch zu langsam mit der Zeit und sie stellte um auf Motorroller, was damals war ’ne Seltenheit. So fuhr sie in den wohlverdienten Ruhestand durch die Deutsche Straße der Alleen: das war wirklich allerhand!
Die Gastfreundschaft
Die Kirche ist ein offenes Haus für jedermann. Das steht hier draußen an der Tür, was jeder lesen kann. Am Anfang nach dem Krieg war Lohmar offen für viele neue Bürger von weit her. Ob katholisch oder evangelisch, sie wurden alle aufgenommen, was manchmal war ein bisschen schwer. Doch es ging weiter mit der Völkerwanderung sogar bis in uns’re Tage. Noch immer teilen wir den Raum, das Brot mit denen, die da kommen – das ist doch keine Frage! Jeder, der da kam, der brachte auch was mit: die Portugiesen brachten Musik und auch Sardinen exquisit, ein Pfarrer aus Indonesien konnte scharfe Sachen kochen, ein Pfarrer aus Kamerun konnte mit uns tanzen – ununterbrochen, eine Frau vom Süden Afrikas brachte uns das Töpfern bei, diese Kunst haben viele übernommen, die Pfarrersfrau und auch Frau Silberlocke im Büro sogar. Dabei ist die Kripp‘ entstanden, die zu Weihnacht hier vorn steht neben dem Altar. Zweimal im Jahr, da kam ein Wohnungsloser, wünschte Guten Tag und wollte nur zwei Scheiben Brot und hier draußen unterm Holzkreuz schlafen, ansonsten ging es ihm janz jot. Viele Deutsche aus Russland hab’n ihr Heim verlassen, und wohn’n nun mitten unter uns in Lohmar-Ort; auch sie hab’n unsere Gemeinde bereichert mit ihrer Freundlichkeit und ihrer Treue zum neuen Heimatort. Die Mennoniten Brüder Gemeinde haben viele Jahre bei uns hospitiert; als ihr Bethaus fertig war, da haben sie unsere Kirchenbänke renoviert.
Die Ökumene
Die ökumenische Bewegung hat auch in diesem Hause viel bewegt. Der Schlussstein in der Nachbarkirche gab den Anstoß und der hat so auch uns geprägt. Auch schon vorher wurde die Gemeinsamkeit gelebt, da hatt‘ noch nicht die Kirch‘ gebebt. Viele Jahre gab’s einmal im Monat eine Messe, danach hat man gemeinsam Mittagbrot jejesse. Einmal war das zuvor gekochte Essen schlecht, Was nun? Da hat das China-Restaurant in 2 Stund‘ ein Essen für 80 Leut‘ jebrächt. Einmal fand ein Öku-Familienfest im Pfarrheim statt, da spielten die KiTas beider Gemeinden gegeneinander Fußball satt. und dann der Pfarrgemeinderat geg’ns Presbyterium. In der Hitze des Gefechts sind alle Würstchen aufgeplatzt und wurden krumm. Ein Jugendorchester aus Brasilien kam ab und zu in unsere Staadt. Die wurden bei beiden Konfessionen unterjebracht. Da ging’s nach Bonn erst in Beethoven sein Haus und auch zu Haribo für einen kleinen Schmaus. Da war der Beethoven schon vergessen, die brachten Goldbären, Lakritz und Happy Cola mit zum Essen. Als die St. Johannes-Kirche hat gefeiert hier die Messen, da wurde auch die Sakristei geteilt, natürlich angemessen. Wir sind eine Familie, das war doch klar. Da hilft man sich eben als alter Nachbar. Auch die Weihrauchtradition wurd‘ einmal praktiziert, doch das hat nun wirklich niemanden geniert. Die praktizierte Ökumene und der Abschiedsgottesdienst im Jahre zwanzig zehn und dann gemeinsam Abendessen im Pfarrheim, das war bewegend und sehr schön.
Die Tafel
Praktizierte Ökumene, das ist jede Woche nun schon über 600-mal seit über sieben Jahren die Arbeit der Tafel im Pfarrheim ganz zentral. Es war im Jahre zwanzig sieben, als der Ökumene-Arbeitskreis versammelt war, da schlug Pfarrer Schmitz ganz einfach vor, auch in Lohmar eine Tafel einzurichten, das sei vorstellbar. Das war der Start für ein ökumenisches Projekt, der natürlich nicht so einfach war. Man brauchte Räume und auch Personal, das ehrenamtlich schafft und ist auch kollegial. Die Räume gab die Pfarrgemeinde her und beim ersten Aufruf kamen 60 gar. Man war zufrieden. Doch eine Dame wollt‘ ihr Alter nicht benennen, das sei nicht zumutbar. Erst später stellte sich heraus: die Dame hatte Angst, sie sei zu alt für diesen Job. Inzwischen ist sie 95 und hilft immer noch – ohne Stopp.
Die Organisten
Die Organisten und Kantoren sieht man nicht, man hört sie nur. Ganz früher war das anders. Da stand’s Harmonium vor uns mit der weißen Klaviatur. Die Verständigung war direkt. Jetzt aber sieht man sich im Spiegel. Die nächste Stroph‘, die war bekannt. Das stand ja auf dem Ziegel. Vor über vierzig Jahren saß Herr Klein hier in der Kirch‘ und spielte uns’re Lieder. Manchmal spielte er eins mehr und manchmal eines weniger wieder. Um das zu kontrollieren, legt‘ er so viel Groschen auf das Manual wie Strophen sind in dem Choral. Nach jeder Strophe nahm er eine Münze weg und legte sie beiseite. Das ging ’ne Zeitlang auch ganz gut, bis dann passierte diese Pleite: an einem großen Feiertag mit vielen schönen Liedern da fiel’n ihm plötzlich alle Notenbücher nieder auf die Knie und auf die Münzen und er rief hörbar ‚Schiet‘! Die Gemeinde hörte es genau und litt ein wenig mit. Auch Klaus Hugger – unser Spieler an der Orgel oben spielt ganz souverän, man könnt‘ ihn einfach immer loben. Wir hier unten krieg’n nicht immer mät, was da ob’n passiere dät. So kam er mal ganz knapp zum Orgeldienst und wusst‘ nicht mehr, welch‘ Melodie zum Lied „von guten Mächten“ zu spielen wär. Alle warteten auf ihn und so spielt‘ er Klang 1 zur ersten Strophe und Klang 2 zur zweiten und zur nächsten Strophe. Da sagte ihm am Ausgang ein Besucher, er war gespannt, welch‘ neue Melodie er für die dritte Strophe hätt‘ verwandt.
Der Kindergarten
Manche Leute wissen’s kaum, aber es ist wahr, unser’n Kindergarten gibt es schon seit über 40 Jahr. Dort ist immer Leben in de Bud‘ Das heißt, die Stimmung, die is jut. Im Kindergarten – keiner will das – könnt es auch mal brennen. Also muss man üben, schnell nach draußen wegzurennen. Die Feuerwehr kam überraschend mit Tatütata, um das Feuer in de Küch‘ zu löschen mit Wasser und et cetera. Alle rannten durcheinander und wollten zu dem Sammelpunkt. Manche wollten Schuh‘ anzieh’n, damit die Füß‘ nicht werden nass und wund. Als alle endlich draußen war’n, da fehlte einer: Gott, was nun? Nach langer Suche fand man einen Jungen ganz verängstigt und sehr jung, auf dem stillen Örtchen sitzen und warten auf Bearbeitung. Nachdem das nun erledigt war, konnt‘ die Wehr das Feuer löschen zum Gebrüll der Kinderschar. Ene Besuch im Zoo, dat is doch schön, da kann man Marabus und Pinguine seh’n. Beim Frühstück da passiert‘ es, ach oh Schreck, ein Marabu schnappt mit dem Schnabel das ganze Pausenbrötchen weg. Bei der zweiten Pause dann, da war’n die Pinguine dran ganz exklusiv, denn die konnten gar nicht näher kommen, denn das Wasser war viel zu tief.
Der Kirchenchor
Die Gemeinde hat auch einen Chor sehr lange schon, mit vielen netten Damen und leider wenig Bässen in der Formation. Das Singen mit den and’ren Chören war früher schöne Tradition, Die närrisch Singestunde und das kölsche Liedgut, da hört man nix mehr von.
In einer Übungsstunde sagte mal der Leiter: Bauch einzieh’n und keine Luft hol’n, nachdrücklich! Da kam die Stimme aus dem Chor: Ohne Luft kein Singen und ’nen Bauch, den hätt‘ se nich‘. Ein and’res Mal, da war der Chor schon etwas abgeschlafft, da forderte der Leiter noch etwas mehr an Leidenschaft und wollte wissen: „Habt Ihr denn noch nie geliebt?“. Kaum war der Satz verklungen, darauf die Stimme aus dem Hintergrund: „Geliebt ganz sicher, aber nicht dabei gesungen.“
Ausklang
Der Streifzug durch das Kleingedruckte der Gemeinde in den letzten fünfzig Jahr‘ geht nun zu Ende und wir hoffen, dass der Text verständlich war. Bei meinem Streifzug und Gesprächen kam bei mir die Frage auf: Was macht eigentlich ’ne Kirchengemeinde wirklich aus? Die Antwort ist ganz einfach und liegt natürlich auf der Hand: es sind die Glieder dieser Kirche, egal ob Konfirmand, ob Prädikant, ob Musikant, ob Hospitant, ob Immigrant, ob mit oder ohne Ehestand, ob Fabrikant oder vom Sauerland, ob mit Amt oder ohne Amt. Sie alle tragen bei – ihr wisst es schon: zur Ökumene, zur Seelsorge, zur Diakonie, zur Mitarbeit auch ohne Lohn. Von vielen Menschen haben wir gelernt und auch von ihrem Leben: Auch mit leeren Händen kann man reichlich geben.
Macht also alle mit für viele weitere schöne Jahr‘!